Literaturrecherche auf Oberstufenniveau
Informationen zu einem Biologie-Thema zu recherchieren wirkt auf den ersten Blick relativ leicht und unkompliziert. Man gibt einfach das Recherchethema bei Google ein (z.B. "Erbkrankheit akute intermittierende Porphyrie" oder "Mäusebussard") und erhält in den meisten Fällen mehrere hunderte oder sogar tausende Suchtreffer. Einer der obersten Suchtreffer ist dabei meistens der Wikipedia-Eintrag zum Thema, in dem sich schon einmal viele Informationen zum Thema finden lassen.
Leider ist diese Suchstrategie in der Oberstufe nicht mehr
ausreichend, da die Fragestellungen, mit denen man sich in der Oberstufe
beschäftigt meistens komplexer sind und man daher detaillierte
Informationen benötigt, als die Informationen auf Wikipedia oder den
ersten Google-Treffern.
Auf Wikipedia befinden sich zu den meisten Themen nur grundlegende Zusammenfassungen, die nicht dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen. Außerdem werden in Wikipedia-Artikeln keine tiefgehenden Fragestellungen abgehandelt. Vor allem zu molekularbiologischen Themen findet man bei Wikipedia häufig nur oberflächliche und unvollständige Informationen. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die Algorithmen von Google sind auf das Suchinteresse von großen Bevölkerungsgruppen ausgerichtet. So findet man bei der Suche nach Lactoseintoleranz eher Ernährungsratgeber, als wissenschaftliche Artikel, die sich mit den genetischen Ursachen beschäftigen. Im Wikipedia-Eintrag zur Erbkrankheit akute intermittierende Porphyrie stehen zu den genetischen Ursachen beispielsweise nur sehr oberflächliche Informationen:
"Der AIP liegt ein autosomal-dominant vererbter Defekt der Porphobilinogen-Desaminase (PBG-Desaminase), einem Enzym im Stoffwechselweg der Hämsynthese, zugrunde. Bekannt sind ca. 400 Mutationen des PBG-Desaminase-Gens auf Chromosom 11"
Diese Informationen reichen leider nicht, um den vorliegenden Gendefekt und den Zusammenhang zwischen den Krankheitssymptomen und der Funktionsunfähigkeit des Enzyms zu klären. Zudem tauchen in diesem Satz viele neue Fachbegriffe auf, die für einen Laien unbekannt sind und weitere Fragen aufwerfen (z.B. Was ist die Hämsynthese?). Leider hilft Wikipedia an dieser Stelle überhaupt nicht mehr weiter, da es z.B. keinen Wikipedia-Artikel zur Hämsynthese gibt. Trotzdem kann dieser Wikipedia-Eintrag aber der Ausgangspunkt für eine tiefgehendere Recherche sein. Wikipedia eignet sich also als erster Ausgangspunkt für Recherchen, aber auf keinen Fall als Hauptquelle.
Im folgenden werden einige Suchstrategien vorgestellt, durch die sich tiefgehende und detaillierte Informationen finden lassen:
• Google: Suchen mit Anführungszeichen
Der Klassiker und wohl den meisten Google-Nutzern bekannt sind die
Anführungsstriche. Angenommen, Sie suchen etwas über die ökologische
Bedeutung von Käfern, dann werden sie zahlreiche Ergebnisse erhalten, in
denen die einzelnen Worte vorkommen, z.B. einige Seiten über Käfer,
einige Seiten aber auch über Ökologie allgemein. Wenn Sie aber die
Anfrage in Anführungszeichen setzen, dann bekommen Sie nur Ergebnisse,
die den feststehenden Suchbegriff "Ökologische Bedeutung Käfer"
enthalten.
• Google: Suchen mit Plus und Minus
Wer ein Minus vor ein Wort stellt, der kann Suchbegriffe ausschließen.
Beispielsweise findet Google bei der Suche nach dem Begriff "Käfer"
viele Suchtreffer im Zusammenhang mit dem VW-Käfer. Indem Sie -VW
eingeben, werden alle Suchergebnisse ausgeschlossen, die etwas mit VW zu
tun haben. Mit einem Plus können Sie Stoppwörter hinzufügen. Sie
zwingen die Suche dann nach der Verwendung von Begriffen, die sie sonst
einfach übergehen würde. Etwa "www" oder ".com". Denkbar wäre etwa ein
Suchbegriff wie .
• Google: Suchen mit "filtetype:"
Die Informationen auf den meisten allgemeinen Internetseiten sind viel
zu oberflächlich und unausführlich. Selbst Artikel von
Online-Zeitschriften, wie Zeit oder Spiegel gehen meistens nicht
ausreichend in die Tiefe. Generell lassen sich viel umfassendere
Informationen finden, indem man nach echten Veröffentlichungen von
Wissenschaftlern sucht. Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse
(z.B. Dissertationen) häufig im Internet zugänglich als pdf-Datei. Indem
man in der Suche dann <"akute intermittierende Porphyrie"
filetype:pdf< oder einfach nur <"akute intermittierende Porphyrie"
pdf< sucht, findet man aktuelle Ergebnisse aus der Forschung.
Natürlich sind meistens nicht die kompletten pdf-Dokumente relevant,
aber jede dieser wissenschaftlichen Abhandlungen besitzt einen
allgemeinen einführenden Teil, indem ein detaillierter Überblick über
das Thema geboten wird, der grundsätzlich besser ist, als alle anderen
allgemeinen Internetseiten.
• Google Scholar nutzen
Bei der Seite https://scholar.google.de
handelt es sich um eine von Google entwickelte Suchmaschine speziell
für wissenschaftliche Veröffentlichungen. Wer hier sucht, der findet von
vornherein nur echte wissenschaftliche Artikel und häufig sind diese
bereits im pdf-Format.
• Literatur-Quellen in Wikipedia und Dokumenten nachrecherchieren
Wikipedia ist ein gut geeigneter erster Ausgangspunkt für jede
Recherche. Ganz unten auf jeder Wikipedia-Seite befindet sich eine
Auflistung der von den Autoren verwendeten Quellen. Es lohnt sich, diese
Quellen nachzurecherchieren, denn häufig findet man in den
Original-Quellen viel umfangreichere Informationen als in der
Zusammenfassung auf Wikipedia. Das gleiche gilt für die
Literaturverzeichnisse von Artikeln aus dem Internet. Wenn man
beispielsweise etwas zur ökologischen Bedeutung des Mäusebussards sucht
und ein ganz gutes pdf-Dokument gefunden hat, lassen sich häufig im
Literaturverzeichnis interessante weitere Quellen (häufig auch "echte"
Bücher ausfindig machen.
• Namen von Wissenschaftlern oder Organisationen recherchieren
Anhand der Literaturverzeichnisse aus Veröffentlichungen im Internet
lässt sich häufig auch erkennen, dass es einzelne Forscher gibt, die zu
einem bestimmten Thema besonders viel veröffentlicht haben. Durch die
Recherche des Namens der Forscher können häufig noch weitere Artikel
oder sogar Bücher zum selben Thema gefunden werden. Z.B. findet man ein
umfangreiches, differenziertes Buch von Herrn Klausnitzer über den
Hirschkäfer bei Amazon.
• Gezielt spezifische Fachbegriffe kombinieren
Häufig stößt man bei deinen Recherchen immer wieder auf neue
Fachbegriffe, die für das jeweilige Recherchethema wichtig sind. Diese
Begriffe sollte man in neuen Kombinationen als Suchbegriffe bei Google
verwenden. Wenn man z.B. zur akuten intermittierenden Porphyrie
recherchiert, findet man als erstes den Wikipedia-Artikel mit dem oben
stehenden Satz zur genetischen Ursache. In diesem Satz findet man eine
Reihe an fachbegriffem die man zum Ausgangspunkt der weiteren Recherche
nutzen kann, z.B. Porphobilinogen-Desaminase ,PBG-Desaminase oder
Hämsynthese. Beispielsweise könnte man mit diesen Suchbegriffen
weiterrecherchieren in Kombination mit der Bezeichnung Porphyrie
weiterrecherchieren
• Google-Bildersuche als Ausgangspunkt nutzen (auch Videos bei Youtube)
Eine weitere Möglichkeit, gezielt sehr spezielle Informationen zu
finden, ist es, die Google-Bildersuche als Ausgangspunkt zu nutzen.
Sucht man beispielsweise nach den genetischen Ursachen der Erbkrankheit
Mukoviszidose und gibt bei der Google Bildersuche Mukoviszidose Mutation
ein, dann findet man einige Visualisierungen des Ausschnitts des Gens,
das bei dieser Erbkrankheit mutiert ist und der dafür verantwortlichen
Missense-Mutation. Durch das Anklicken der Bilder gelangt man dann auf
die Webseiten, auf denen passende Informationen zu finden sind. Ähnlich
kann man auch mit Videos vorgehen. Durch die Suche nach einem bestimmten
Thema bei Youtube erlangt man häufig gut animierte oder detaillierte
Informationen.
• Nicht davon ausgehen, dass alle gesuchten Zusammenhänge problemlos und einfach gefunden werden können.
Es ist fast niemals der Fall, dass man im Internet einen Artikel findet,
der genau die Fragestellung umfassend erklärt, nach der man sucht.
Häufig findet man in einem Artikel nur einen Anhaltspunkt oder einen
neuen Fachbegriff, der dann wiederum weitere gezielte Recherchen
ermöglicht.
• Lesestrategien anwenden: Überfliegen von Google-Einträgen und gefundenen Artikeln (Suchfunktion (Strg+f)
Man sollte nicht zu viel Zeit verschwenden und jeden Suchtreffer
intensiv lesen und durcharbeiten. Stattdessen sollte man durch das
Anwenden von Lesestrategien die gefundenen Artkel erst einmal grob auf
ihre Eignung hin überprüfen. Beispielsweise könnte man sich erst einmal
die Abbildungen oder die Zwischenüberschriften im Artikel ansehen und
anhand dessen entscheiden ob sich der Artikel eignet. Darüber hinaus
kann mn auch durch die Tastenkombination Strg+f innerhalb von Artikeln
nach einem bestimmten Begriff suchen und sich dann erstmal nur die
Absätze durchlesen, in denen der Begriff vorkommt.
• Englische Version von Wikipedia (Recherche auf Englisch generell)
Viele Biologie-Themen der Oberstufe sind entweder noch nicht besonders
lange erforscht (alles unter 30 Jahren ist nicht lange) oder sie sind
noch nicht vollkommen erforscht. Dadurch gibt es zu vielen Themen noch
nicht besonders viele verständliche Informationen in deutsch, da die
Forschungsartikel international in englisch verfasst werden. Wer gute
Englischkenntnisse hat, sollte diese also einsetzen und sich trauen,
auch englische Suchtreffer zuzulassen und durchzulesen. Man findet auf
englisch viel aktuellere und detaillierte Informationen zu den meisten
Themen.
• Bibliotheken und Bücherhallen-Kataloge durchsuchen
Das Internet bietet zwar viele allgemeine Informationen, aber nachwievor
sind Fachbücher gegenüber dem Internet bei den allermeisten
Biologiethemen überlegen, da Fachbücher eine umfassende und
zielgerichtete Zusammenstellung und Zusammenfassung liefern. In vielen
Bibliotheken und Büchergallen findet man gute Fachbücher zu
Oberstufen-Themen.
• Das Schulbuch nutzen
Auch das Schulbuch eignet sich als Quelle für manche Themen. Der Vorteil
des Schulbuchs ist, das es speziell auf die Zielgruppe Schüler
zugeschnitten ist und damit besonders verständlich sein sollte.
Schulbücher gehen zwar bei vielen Themen nicht sehr weit in die Tiefe,
sondern gehen eher in die Breite und stellen viele Themenaspekte
überblicksartig vor, aber trotzdem lohnt es sich, zu Beginn der
Recherche, im Schulbuch nachzuschlagen.